Die Kraft einer Stimme

15.12.2021 in Hamburg, Mönckebergstraße: Weihnachten steht vor der Tür. Die ersten Glühweine wurden getrunken und Lichterketten erleuchten die Dunkelheit. In den Schaufenstern kleben mehr Schneeflocken zur Dekoration, als im letzten Jahr überhaupt gefallen sind, und alle befinden sich im alljährlichen Geschenkestress: Wer wünscht sich was? Was ist das überhaupt? Woher kriege ich das aktuelle Towers-Trikot? In welcher Größe sollen die neuen Basketballschuhe sein? Fragen über Fragen, die sich stellen, um das Fest der Liebe entsprechend vorzubereiten. Die Vorfreude steigt.

15.12.2021 im Grenzgebiet Polen Belarus: Tausende Flüchtende sitzen an der Grenze fest. Bei Minusgraden. Ohne warme Kleidung. Ohne genügend Lebensmittel. Es fehlt an Decken, Dächern und Nahrung. Von sanitären Anlagen ganz zu schweigen. Fragen über Fragen: Wie geht es weiter? Woher kommt die nächste Mahlzeit? Was passiert hier? Eine humanitäre Krise mitten in Europa. Während einer Pandemie. Und das alles in der Vorweihnachtszeit: Wo doch Nächstenliebe und Nachsicht angeblich ganz oben auf der Tagesordnung stehen sollen.

Die Situationen könnten also nicht unterschiedlicher sein. Während für die einen die schönste Zeit im Jahr beginnt, durchleben andere eine der schlimmsten ihres Lebens. Wie geht man damit um? Und was hat das mit uns zu tun?

Eine Idee: Grundsätzlich schenken wir den Menschen etwas zu Weihnachten, die uns am Herzen liegen. Vielleicht noch denen, die wir beim Wichteln ziehen. Bei Geschenken denken wir in erster Linie oft an Materielles: Klamotten, ein neues Buch, einen Basketball. Nicht allen fremden Personen kann man einen materiellen Wunsch erfüllen. Was aber, wenn wir davon einmal Abstand gewinnen? So könnten wir Weihnachten eine Stimme verschenken. Unsere Stimme, die wir für die erheben, die selbst nicht die Möglichkeit haben. Das kann die Stimme für diejenigen sein, die momentan im polnisch-belarussischen Grenzgebiet festsitzen. Oder die Stimme, die sich erhebt, wenn auf der Straße Zivilcourage gefragt ist. Das kann eine Stimme für all diejenigen sein, die aufgrund von Sprachbarrieren nicht gehört werden oder ganz einfach für diejenigen, die sich nicht trauen.  Das kann in der Politik sein oder in der Schule. Im Bus oder im Training. Eine Stimme zu verschenken ist, zumindest in einer Demokratie, für jeden möglich und kostenfrei – aber niemals umsonst. Warum sollte man das also nicht nutzen?

Auch im Sport bedarf es immer wieder Personen, die in der Lage sind für andere die Stimme zu erheben. Sei es vor anderen Mitspieler*innen oder vor Trainer*innen. Nicht immer traut sich jede*r, für sich selbst einzustehen. Einige sind dazu vielleicht noch nicht in der Lage. Das gute an einem Mannschaftsport wie Basketball ist, dass man niemals allein dasteht, sondern ein Team im Rücken hat, auch wenn es brenzlig wird. Grundsätzlich soll es im Sport fair zugehen. Doch das kann nicht immer zu 100 Prozent gewährleistet werden, wenn es Personen gibt, die sich über dieses Grundprinzip der Fairness hinwegsetzen. Umso wichtiger ist der Zusammenhalt innerhalb eines Teams und der Anspruch, für Andere einzustehen, wenn ihnen Unrecht getan wird. Was wir im Kleinen im Teamsport schaffen, müssen wir versuchen auch in einem gesamtgesellschaftlichen Konstrukt umzusetzen. Genauso wenig, wie wir neue*n Mitspieler*innen im Training kennen, kennen wir die Flüchtenden an den Außengrenzen Europas. Und doch lohnt es sich für beide, die eigene Stimme zu erheben, wenn ihnen Unrecht getan wird. Denn genau so hofft man selbst schließlich auch, dass andere für einen einstehen, wenn man alleine nicht in der Lage dazu ist. Vielleicht ist diese Idee ein Ansatz, wenn man in den kommenden Wochen auf der Suche nach Dingen ist, anderen etwas Gutes zu tun.

Und das Beste am Stimme verschenken? Es funktioniert nicht nur an Weihnachten oder am Geburtstag, sondern das ganze Jahr über!